Pfleger wechseln in die Leiharbeit – und sind oft viele Sorgen los
Veröffentlicht am: 10.07.2018
So jemanden wie Markus Schäfer kann sich diese Gesellschaft eigentlich nur wünschen. Ein Mensch mit einer ausgeprägten sozialen Ader, hilfsbereit, zugewandt. Der 25-Jährige ist Altenpfleger aus Leidenschaft. Doch irgendwann hatte er genug von seiner Arbeit.
Er kündigte seine Stelle in einer Paderborner Einrichtung. Denn er konnte sich nicht aussuchen, wann er Urlaub hat. Einfluss auf die Gestaltung des Dienstplans hatte er auch nicht. Weil er erst 25 ist und noch keine eigene Familie hat, sagt er. Man ist der Jüngste und könne immer arbeiten, habe es geheißen.
Markus Schäfer, der seinen Beruf begleitend zu einem Studium an der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld ausübt, hat sich nach diesen schlechten Erfahrungen für einen anderen Weg entschieden. Er ging in die Leiharbeit.
Zeitarbeit wirbt mit Sätzen wie „Ihr seid für uns mehr als Arbeitskräfte“ und „Wir können Deine Wünsche berücksichtigen“ um neues Personal. Auch mit einem Anti-Burnout-Programm. Die Gefahr auszubrennen, ist in helfenden Berufen wie in dem des Pflegers besonders groß.
Zahl der Zeitarbeitskräfte steigt stetig
„Ich habe mich bewusst für diesen Weg entschieden. Ich wollte genau diese Stelle“, sagt Markus Schäfer. Und er ist nicht der Einzige, der von einem festen Vertrag in einer Pflegeeinrichtung in die Leiharbeit wechselt.
„Die Inanspruchnahme von Zeitarbeitsfirmen ist in den letzten Jahren gestiegen“, sagt Andreas Westerfellhaus, Pflegebeauftragter der Bundesregierung, im Gespräch mit der NW. Die Pfleger verbinden damit vor allem die Hoffnung auf bessere und planbare Arbeitszeiten, aber auch auf ein besseres Gehalt, sagt Westerfellhaus.
Die Zahl der Zeitarbeitskräfte in der Gesundheits- und Pflegebranche ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Waren es im Jahr 2013 bundesweit noch 34.694, sind es aktuell schon mehr als 43.000 Beschäftigte. Der Anteil der Leiharbeiter in der Pflege ist zwar noch nicht als Massenphänomen zu bewerten. Doch auch in OWL ist seit 2013 ein kontinuierlicher Anstieg zu verzeichnen. Der Grund für diese Entwicklung sei nicht der Job an sich, sagt Westerfellhaus, sondern die Arbeitsbedingungen, unter denen derzeit in der Pflege gearbeitet werde.
Größter Anteil im Kreis Gütersloh
Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren 2017 in der Gesundheits- und Krankenpflege, bei Rettungsdiensten und in der Geburtshilfe 250 Personen in OWL in der Leiharbeit beschäftigt. Das ist ein Anteil von 0,8 Prozent. Am höchsten ist der Anteil im Kreis Gütersloh (1,6 Prozent). In Minden-Lübbecke sind es nur 0,5 Prozent.
Ramona Schulze, Sprecherin der Mühlenkreiskliniken beobachte nicht, dass der Anteil größer wird, sagt sie: „Das Credo der Mühlenkreiskliniken lautet, Stellen langfristig zu besetzen. Leiharbeitnehmer werden nur beschäftigt, wenn alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft worden sind und für die sichere Patientenversorgung keine andere Lösung gefunden werden kann.“
Nach Angaben des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ) werden sich aber zukünftig noch mehr Beschäftigte in Gesundheits- und medizinischen Berufen für die Zeitarbeit entscheiden. „Das ist zu erwarten“, sagt IGZ-Sprecher Wolfram Linke. „Seitens der Arbeitnehmer wird das Modell der Arbeitnehmerüberlassung immer beliebter, da Zeitarbeitsunternehmen häufig bessere Arbeitszeiten mit einem besseren Gehalt bieten“, heißt es in der Verbandszeitschrift. Es ist das zentrale Thema in der aktuellen Ausgabe.
Verdienst ist einer der Hauptgründe für den Wechsel
Aber ist das Gehalt tatsächlich besser? Der Verdienst ist einer der Hauptgründe, warum sich Pfleger für eine Beschäftigung über eine Zeitarbeitsfirma entscheiden. Leiharbeit verspricht übertarifliche Verdienstmöglichkeiten und außertarifliche Zuschläge. Gleichwertige, zum Teil bessere finanzielle Entlohnung der anstrengenden Pflegetätigkeit im Rahmen der Zeitarbeit.
Zahlen für NRW zeigen, dass in Vollzeit Angestellte in der Gesundheits- und Krankenpflege, bei Rettungsdiensten und in der Geburtshilfe im Schnitt 3.348 Euro brutto verdienen, bei Leiharbeitern sind es im Schnitt 2.889 Euro. Je nach genauem Berufsbild liegt der Verdienst von Leiharbeitern aber höher, etwa bei OP-Pflegern.
Die Kliniken und Altenheime müssen aufgrund des Fachkräftemangels verstärkt auf Zeitarbeitskräfte zurückgreifen. Der Markt hat sich in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt. Wir haben heute einen Bewerbermarkt, in dem der Bewerber sich für eine Beschäftigung im Rahmen von Zeitarbeit oder für eine Festanstellung entscheiden kann. Da sich immer mehr Pflegekräfte für den Bereich Zeitarbeit entscheiden, bleibt den Kliniken und Altenheimen nichts anderes übrig, als sich diese Mitarbeiter über die Arbeitnehmerüberlassung zu sichern.
Pflegebauftragter sieht die Entwicklung mit Sorge
Pflegebeauftragter Westerfellhaus beobachtet diese Entwicklung mit großer Sorge. „Es gibt Hinweise, dass die Qualität der Pflege durch den Einsatz von Leiharbeitern leidet. Zudem bedeutet es für die Einrichtungen einen wesentlich höheren finanziellen Aufwand“, sagt der aus Rheda-Wiedenbrück stammende CDU-Politiker. Hinzu kommen erhebliche Belastungen für die Festangestellten, die immer weniger in festen Teams, mit festen Kollegen arbeiten und durch die dünne Personaldecke immer kurzfristiger einspringen müssten.
Doch weil Pflegekräfte so händeringend gesucht werden, können sie es sich leisten, Stellen aufzugeben, wenn die Bedingungen nicht stimmen. Bei Markus Schäfer war es so und es war der richtige Entschluss. Seinen Beruf zu wechseln kam für ihn nie in Frage. „Der Beruf macht mir total Spaß. Ich habe gerne Kontakt zu älteren Menschen und freue mich, wenn ich anderen eine Freude machen kann“, sagt er.
In der Zeitarbeit ist Schäfer nun als Reisepfleger angestellt. Das heißt, er ist immer für eine begrenzte Zeit an verschiedenen Einrichtungen deutschlandweit tätig. Zur Zeit zum Beispiel in Cochem an der Mosel, zuvor in Dorum an der Nordsee. Die Bedingungen passen, er fühlt sich wertgeschätzt. Markus Schäfer ist wieder glücklich in seinem Beruf.
Aus der Lippischen Landeszeitung vom 30.06.2018; Autor: Stefan Boes